Elf Jahre später, die gleichen Bilder. Völlig ausgepumpt hockten Spieler in gelben Trikots auf dem Rasen des Wembley-Stadions, für Borussia Dortmund ist der Traum vom zweiten Champions-League-Triumph in der Vereinsgeschichte geplatzt. Und wie vor elf Jahren gegen die Bayern war der BVB so dicht dran. Über 70 Minuten bot die Borussia im wichtigsten Spiel der Saison ihre beste Saisonleistung, hatte Real am Haken und vor allem im ersten Durchgang eine Fülle bester Chancen. Die Tore aber machten die Madrilenen. 2:0 am Ende, der 15. Titel für die Königlichen, die ihr Glück kaum fassen konnten. In der Dortmunder Kurve gab es viel Trost und anerkennenden Applaus für die Verlierer, die diese Niederlage eigentlich nicht verdient hatten.
BVB stellt Madrid vor große Aufgaben
Schon zwei Stunden vor dem Anpfiff und damit deutlich eher als vorgeschrieben meldete Real Madrid seine Startelf für dieses große Finale, das ließ sich als großes Selbstvertrauen genau so werten wie als Arroganz. Überraschend waren beide Anfangsformationen am Ende nicht, doch von dem großen Selbstverständnis, das die Spanier ausstrahlen wollten, war dann nach einer Anfangsphase mit dem zu erwartenden Abtasten nur noch wenig zu sehen.
Eher wuchs im Laufe des ersten Durchgangs die Ratlosigkeit in den weißen Trikots, denn auf dem Feld entwickelte sich eine Partie, deren Verlauf man so nicht erwarten konnte. Es waren nicht die Madrilenen, die die klarere Spielstruktur hatten, sie hatten schon gar nicht die besseren Chancen. 8:2-Torschüsse standen da zur Pause in der Statistik – für Borussia Dortmund. Da rieben sich viele verwundert die Augen, und die Qualität der BVB-Angriffe hätte locker für eine Dortmunder Führung reichen müssen.
Adeyemi und Füllkrug verpassen BVB-Führung
Die Borussia war voll im Spiel in diesem Finale, die größten Gelegenheiten vergaben Karim Adeyemi nach Traumpass von Mats Hummels (21.) und Niclas Füllkrug, der nach einer Balleroberung von Ian Maatsen den Ball an Real-Schlussmann Thibor Courtois vorbeibrachte, der dann aber an den Pfosten klatschte (24.).
Die womöglich leichte Abseitsposition musste nicht überprüft werden, unabhängig davon ging die Taktik einer sehr mutigen Dortmunder Elf in dieser Phase voll auf. Der BVB bildete um den Mittelkreis herum eine erste breite Verteidigungslinie, aus der heraus Edin Terzics Elf auch punktuell ins offensive Pressing ging. Den Raum im Zentrum verdichteten die Dortmunder mit extremer Laufarbeit, wich Real nach Außen aus, gab es auf beiden defensiven Außenpositionen viel Hilfe. Auch ins eigene Rückzugsverhalten investierte die Borussia eine Menge.
Hummels und Schlotterbeck auf dem Posten
So verpuffte Reals erwartet hoher Ballbesitzanteil (zur Pause 64 Prozent) weitgehend wirkungslos. Die wenigen gewonnenen Dribblings vor allem vom pfeilschnellen Vinicius Junior bügelte die Innenverteidigung um die sehr aufmerksamen Hummels und Nico Schlotterbeck aus, die alle Hereingaben klärten.
Dortmund hatte den Königlichen einige Denkaufgaben mit in die Kabine gegeben, der ersten richtigen Chance nach starkem Freistoß von Toni Kroos folgte die nächste dicke Gelegenheit – Carvajals Kopfball strich knapp übers Tor von Gregor Kobel (50.). Real musste mehr machen, Real machte mehr. Carvajals Dropkick brachte die nächste Gelegenheit, der Ball landete abgefälscht in Kobels Händen (57.). Doch Dortmund war weiter gut im Spiel, setzte auch durch resolute Zweikampfführung wichtige Zeichen. Und hatte eine nächste Gelegenheit, als Adeyemis Flanke den Kopf von Füllkrug fand – etwas zu zentral kam der Ball genau auf Courtois (63.).
Ex-BVB-Spieler Bellingham enttäuscht
Wieviel Kraft die Partie auf beiden Seiten gekostet hatte, wurde in den Minuten danach offensichtlich. Das Lauern auf Fehler begann, hohes Risiko mochte und konnte der BVB nicht mehr gehen – und durfte tief durchatmen, als Kobel an einer Vinicius-Flanke vorbeisegelte – auch Ex-Mitspieler Jude Bellingham, sehr blass bis dahin, verpasste den Ball (69.).
Nach einer Klasse-Partie machte Adeyemi dann Platz für Marco Reus. Nahezu unbemerkt hatte sich das Spiel mitterweile deutlicher in die Dortmunder Hälfte verlagert, Dortmund bekam die Löcher nicht mehr so konsequent zugelaufen. Und dann passierte das, was man oft in Real-Partien befürchten muss. Maatsen verlor bei einer Kroos-Ecke Carvajal aus den Augen, einer der kleinsten Spieler stieg zum Kopfball hoch versenkte die Kugel im Dortmunder Netz (74.). Der Spielverlauf war auf den Kopf gestellt, das merkte man den Schwarzgelben an. Große Löcher im Zentrum, Bellingham vergab nach Hereingabe von Eduardo Camavinga die Riesenchance zum 2:0 (77.).
Carvajal schockt den BVB
Das Gegentor steckte den Dortmundern nun unverkennbar in den Knochen, Real kam zu Großchancen im Minutentakt. Kroos per Freistoß (79.), Camavinga aus der Distanz (80.), Nachos Kopfball (81.), den Kobel aus dem Winkel fischte – nun nahm die Partie ihren zu befürchtenden Verlauf. Und Maatsens kapitaler Fehler leitete die endgültige Entscheidung ein. Wie in Madrid leistete sich der Niederländer einen Querpass zum Gegner, diesmal in die Füße von Bellingham, der leitete blitzschnell weiter auf Vinicius – 0:2 (83.).
Terzic warf alles auf den Platz, was Offensive im Blut hat. Und Füllkrugs vermeintliches 1:2 (87.) hätte vielleicht noch spannende letzte Minuten bedeutet. Doch der Torjäger stand im Abseits, eine richtige Entscheidung, die zum Verlauf der 90 Minuten passte. Der BVB hatte den hohen Favoriten am Rande der Niederlage, doch eben nur am Rande. Todtraurig hockten die Dortmunder beim Schlusspfiff völlig ausgepumpt auf dem Rasen. Für Stolz über die eigene Leistung dürfte erst in einigen Tagen Platz sein.